Wenn dein Hund vor dir Angst hat, dann liegt das meist an einer mangelnden Sozialisierung oder vergangenen traumatischen Erlebnissen. Unter Umständen kann es auch auf die Erziehung, einem unzureichenden Selbstvertrauen oder auf Erkrankungen zurückgehen.
Bei Straßenhunden oder Hunden vom Tierheim kommt das öfters vor. Genauso wie bei Vierbeinern, die zuvor andere Besitzer hatten. Typische Anzeichen der Angst sind:
- Häufiges Gähnen: Ein Zeichen von erhöhten Stresshormonspiegeln.
- Gesteigerte Aufmerksamkeit: Jeder Schritt von dir wird genau beobachtet.
- Ängstliche Körperhaltung: Eingezogene Rute und nach hinten gelegte Ohren.
- Leichtes Zittern: Ein Anzeichen einer Adrenalinausschüttung.
- Vermeidung von Augenkontakt: Hund richtet seinen Kopf nie frontal zu dir.
- Winseln und Fiepen: Typisches Zeichen, wenn bei Angst keine Flucht möglich ist.
- Ablecken der Lippen: Dieses Verhalten ist ein Zeichen der Unterwürfigkeit.
- Plötzliche Inkontinenz: Der sonst stubenreine Hund macht plötzlich in die Wohnung.
- Getäuschte Appetitlosigkeit: Es wird kein Füttern aus deiner Hand angenommen.
- Aggression: Die letzte Option, falls dein Hund bei starker Angst nicht flüchten kann.
Je genauer du die Ursache herausfinden kannst, desto effektiver kannst du dagegen vorgehen. Aus diesem Grund lernst du im Folgenden über die 6 häufigsten Ursachen.
#1 Unzureichende Sozialisierung
Wild lebende Hunde gewöhnen sich ganz automatisch an andere Tiere. Denn sie leben in den meisten Fällen im Rudel und treffen in der Wildnis regelmäßig andere Tiere.
Selbst Straßenhunde in Städten werden durch die Nähe zu Menschen automatisch sozialisiert. Bei Haushunden ist das nicht der Fall. Hier geht es auf die Erziehung zurück.
Zum Problem wird es dann, wenn junge Vierbeiner stets zu Hause gehalten werden und nur selten in Kontakt mit fremden Menschen kommen. Also unzureichend sozialisiert werden.
Dann ist es kein Wunder, dass diese Hunde vor dir Angst haben. Denn sie wissen nicht, ob du eine Gefahr darstellt, oder nicht. Hier empfiehlt sich die folgende Vorgehensweise:
- 1) Finde die Hemmschwelle bis zu welcher Distanz der Hund mit dir “okay” ist.
- 2) Halte diese Distanz für eine längere Zeit, bevor du sie ein wenig verkürzt.
- 3) Wiederhole die ersten 2 Schritte so lange, wie es nötig ist. [1]
Der goldene Schlüssel ist hier schrittweise vorzugehen. Da ist Geduld gefragt. Denn wenn du zu schnell zu nahe kommst, dann kann sich dein Vierbeiner nicht daran gewöhnen.
Übrigens ist es vollkommen normal, dass junge Welpen nach der Trennung von der Mutter zunächst einmal dir gegenüber ängstlich sind. Das sollte sich aber relativ schnell legen.
Wenn Hunde nicht ausreichend sozialisiert werden, dann haben sie häufig vor fremden Menschen und teilweise sogar vor ihrem eigenen Herrchen Angst. Die Lösung ist hier den Hund schrittweise und regelmäßig an den Kontakt mit anderen zu gewöhnen.
#2 Traumatische Erlebnisse
Als ich 5 Jahre alt war, wollte ich unterwegs eine schwarze Katze streicheln. Als ich näher kam, sprang die Katze vor Angst auf und kratze mir mit allen Krallen übers Gesicht.
Heute ist es rund 25 Jahre später und ich habe nach wie vor ein mulmiges Gefühl beim Anblick einer schwarzen Katze. Diesen Schutzmechanismus gibt es auch bei Hunden.
Vor allem Hunde aus dem Tierheim oder Straßenhunde haben häufiger traumatische Dinge erlebt, die ihr Verhalten bis heute beeinflussen. Das gilt insbesondere bei gewaltvollem Umgang.
Kein Wunder also, dass viele Erstbesitzer nach der Adoption eines Vierbeiners aus dem Tierheim verzweifelt in online Foren schreiben: “Hilfe, mein Hund hat Angst vor mir”.
Die Lösung ist hier, die negativen Assoziationen mit positiven zu ersetzen. Konsistenz ist dabei der Schlüssel. Folgende Methoden können dabei helfen:
- Regelmäßige Leckerlis
- Extra viel Aufmerksamkeit
- Fixe Routine aufbauen
- Regelmäßig neue Spielzeuge [2]
Zugegeben. Diese Methode wird keine sofortigen Resultate erzielen. Aber dafür löst du das Problem an der Wurzel. Und je routinierter du das machst, desto effektiver.
Wenn Hunde in der Vergangenheit traumatische Erlebnisse mit Menschen erlebt haben, dann kann das dazu führen, dass sie Angst vor dir haben. Hier gilt es durch stetige Belohnungen und eine Routine die negativen Assoziationen in positive umzuwandeln.
#3 Fokus auf negatives Feedback
Grundsätzlich gibt es unterschiedlichste Arten, wie man Hunde trainieren kann. Alle Methoden beziehen sich aber immer auf die gleichen zwei Grundregeln:
- Belohne Verhalten, dass du öfter sehen willst.
- Bestrafe Verhalten, dass du nicht mehr sehen möchtest.
Hunde lassen sich also genau wie wir Menschen motivieren. Durch Freude und Angst. Und Angst ist bekanntlich der stärkere Motivator. Das kann aber auch zum Problem werden.
Und zwar dann, wenn in der Erziehung der Fokus zu stark auf negatives Feedback gelegt wird. Also kaum Leckerlis und Aufmerksamkeit als Belohnung, sondern nur Bestrafungen.
Bei sensiblen Rassen ist es dann nur eine Frage der Zeit, bis sie Angst vor dir bekommen. Insbesondere dann, wenn du elektrische Halsbänder oder Gewalt benutzt.
Das ist meiner Meinung nach komplett unnötig. Studien konnten zudem bereits nachweisen, dass positive Feedbackmethoden langfristig effektiver sind als elektrische Halsbänder. [3]
Gewalt kann übrigens auch verbal sein. Einen Hund anzuschreien ist daher genauso wenig ratsam. Denn Hunde gehören zu den top 5 sympathischsten Tieren der Welt.
Wenn Erstbesitzer verzweifelt klagen, dass ihr Hund Angst vor ihnen hat, dann liegt das häufig an der Erziehung. Denn zu viele negative Feedbackmethoden können sensible Hunde einschüchtern und verängstigen. Hier sollte der Fokus mehr auf Belohnungen liegen.
#4 Überflutung von Sinnesreizen
Als Hundebesitzer hast du sicherlich schon die Erfahrung gemacht, dass dein Hund plötzlich Angst vor dir bekommt, wenn du verkleidet bist. Das erlebe ich jedes Jahr beim Karneval.
Die Angst diesbezüglich geht nicht auf das Kostüm zurück, sondern auf die große Anzahl der neuen Sinnesreize. Denn die Sinnesorgane von Hunden sind unseren stark überlegen:
- Nase: Hunde riechen zwischen 10.000 bis 100.000 Mal besser als Menschen. [4]
- Augen: Hunde sehen im Dunkeln 5-fach heller und bis zu 270° um sie herum. [5]
- Ohren: Hunde hören Ultraschallfrequenzen und rund 4-fach weiter als wir. [6]
In der falschen Umgebung oder falsch gekleidet bekommen Hunde daher relativ schnell Angst vor dir. Das gilt insbesondere in ungewohnten Gebieten und Menschenmengen.
Aber auch Hundeparks oder das städtische Leben kann die Vierbeiner so stark verunsichern, dass sie sich vor allem und jedem fürchten. Genauso einfach ist aber auch die Lösung.
Wie? Indem du die Anzahl der Sinnesreize reduzierst. Denn in einem bekannten und für die Wahrnehmung langweiligem Umfeld tun sich die Vierbeiner deutlich leichter. [7]
Vor allem bei jungen Welpen sollte nach der Trennung von der Mutter ganz bewusst eine ruhige Umgebung ausgesucht werden, damit sich der kleine Fratz daran gewöhnen kann.
Wenn die Augen, Ohren und die Nase von Hunden mit neuen Reizen überflutet werden, dann kann das Angst triggern. Wenn Hunde in einer solchen Umgebung Angst vor dir haben, dann gilt es die Umgebung zu wechseln. Je weniger Sinnesreize, desto besser.
#5 Mangelndes Selbstvertrauen
Hunde können in der Wildnis nur deshalb gemeinsam im Rudel leben, weil sie instinktiv Hierarchien bilden. Ganz oben in dieser Pyramide steht bekanntlich der Alpha.
Zweitrangig sind die Betas, gefolgt von den Deltas und Omegas. Selbst im Familienhaushalt leben Hunde nach dieser Hierarchie. Nur dass eben das Herrchen der Alpha ist. [8]
Insbesondere sensitive Hunde neigen häufiger dazu, sich jedem und allem zu unterwerfen. Äußern tut sich das nahezu gleich wie Angst. Besonders sensitive Rassen sind:
- Australian Shepherd
- Labrador Retriever
- Mops
- Golden Retriever
- Cavalier King Charles Spaniel
- Deutsche Dogge
- Border Collie [9]
Sollte dein Hund ebenfalls zu dieser Kategorie gehören oder gar Angst vor dir haben, dann gilt es sein Selbstvertrauen gezielt aufzubauen. Bewährte Vorgehensweisen sind hier:
- Verzichte auf negative Feedbackmethoden
- Schenke deinem Hund mehr Aufmerksamkeit
- Lobe deinen Vierbeiner in Anwesenheit anderer Hunde
- Missbrauche sein Vertrauen nicht
- Bringe deinem Hund Tricks bei
Falls du hier nicht weiterkommst, kann ich dir die Online Hundeschule von Johanna Esser empfehlen. Genau zu diesem Thema findest du dort gleich mehrere tolle Module.
Wenn es Hunden an Selbstvertrauen mangelt, dann verhalten sie sich häufiger übermäßig unterwürfig oder bekommen gar Angst vor ihrem eigenen Herrchen. Hier gilt es den Fokus auf positive Feedbackmethoden zu legen, um das Selbstvertrauen gezielt aufzubauen.
#6 Bestehende Erkrankungen
Bei bestehenden Erkrankungen oder Verletzungen kann es vorkommen, dass Besitzer ihrem Hund unwissentlich weh tun. Zu den häufigsten Problemen gehören hier:
- Eingeklemmter Nerv
Sollte dein Hund plötzlich jeglichen Kontakt mit dir vermeiden oder sich gar verstecken, dann kann das auf die Schmerzen durch einen eingeklemmten Nerv zurückgehen.
- Alzheimer
Jeder 3. Hunde über 10 Jahren soll Untersuchungen zufolge mit Demenz zu kämpfen haben. Der damit einhergehende Gedächtnisverlust geht meist mit starker Angst einher. [10]
- Verhaltensstörungen
Laut Foren ist das die erste Vermutung vieler Erstbesitzer, die verzweifelt in Foren schreiben “Hilfe, mein Hund hat Angst vor mir”. Solche Störungen sind in der Praxis aber eher selten.
- Rückenschmerzen
Verrenkte Wirbel, Bandscheibenvorfälle oder sonstige Rückenprobleme können Körperkontakt schmerzvoll machen. Die meisten Vierbeiner gehen daher eher auf Abstand.
- Cushing-Syndrom
Diese Hormonstörung führt dazu, dass Hunde abnormal hohe Mengen an Stresshormonen produziert werden. Hier ist die Angst nicht natürlich, sondern krankheitsbedingt. [11]
Sollte dein Hund ganz plötzlich Angst vor dir bekommen, dann kann das auf bestehende Erkrankungen oder Verletzungen hinweisen. In solchen Fällen rate ich den Tierarzt aufzusuchen. Das gilt insbesondere dann, wenn es noch zu weiteren Symptomen kommt.
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